Palermo: zu Besuch bei der Mafia

Palermo City. Der Pate ist eine Patin. Eine kleine, ältere, aber resolute Frau. Sie sitzt aufrecht und hellwach im Außenbereich eines Restaurants und dirigiert das Geschehen.

Wohin mit der Cola? Wer hat die Cola bestellt? Wer kassiert Tisch 22 ab? Antonio, hast du den Hund schon ausgeführt? – Ob sie auch Anweisungen anderer Art gibt? Etwa den Befehl, nach Tisch 22 auch das Viertel abzukassieren und den „Pizzo“ einzusammeln, das Schutzgeld? Oder uneinsichtigen Schuldnern „liebe Grüße“ zu überbringen? Wenn man sie so erlebt, wie sie ihre ehrenwerte Familie kommandiert, könnte man sie sich fast als „die Patin“ vorstellen. Aber: In der Cosa Nostra gibt es keine Frauen. Zumindest wäre das etwas Neues.

Palermo bald ohne Pizzo, das Schutzgeld?

Palermo und Mafia – das gehört in der Hauptstadt Siziliens noch so eng zusammen wie Pisa und der Schiefe Turm. Aber es gibt auch Gegenwind. Die Adiopizzo-Bewegung etwa ist der Cosa Nostra ein Dorn im Auge. „Schutzgeld ade“ heißt die Idee, hinter der sich rund 400 Lokale und Geschäfte versammelt haben. Im Tourist-Büro an der Piazza Castelnuovo liegen Stadtpläne aus, in denen diese Geschäfte aufgeführt sind.

Noch zahlen rund 80 Prozent der Geschäftsleute den Pizzo. In den 80er Jahren waren es noch 100 Prozent. Zwischen 1981 und 1983 ereignete sich in Palermo im Durschnitt alle drei Tage ein Mafiamord. Es war die Zeit der Mafiakriege. Der Staat war weitgehend machtlos. 1992 wurden die Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borsellino in der Nähe der Stadt ermordet.

Die Wende kam mit Leoluca Orlando, dem Antimafia-Bürgermeister. Heute liegt Palermo in der italienischen Verbrechensstatistik auf Platz 16. Das muss allerdings nicht unbedingt ein Zeichen dafür sein, dass es weniger Mafia in Palermo gibt. Im Gegenteil. Wenige Raubüberfälle oder Diebstähle könnten auch darauf hinweisen, dass die Mafia die kleinen Gauner eisern im Griff hat. Kleine Delikte bringen der ehrenwerten Gesellschaft nichts. Sie halten nur Touristen ab. Und die sind hochwillkommen, weil sie Geld ausgeben, das indirekt über die Schutzgelder in den Taschen der Cosa Nostra landen.

Willkommen in Palermo
Willkommen in Palermo
Ein traditioneller Markt in Palermo. Nicht auf einem großen Platz, sondern in engen Gassen.
Ein traditioneller Markt in Palermo. Nicht auf einem großen Platz, sondern in engen Gassen.
Auf dem Markt.

Palermo und seine Sehenswürdigkeiten

Wer Palermo und seine Sehenswürdigkeiten kennenlernen will, verschafft sich am besten auf einer Bustour einen ersten Überblick. Ab dem Teatro Politeama fahren Doppeldeckerbusse einstündige Touren. Aus- bzw. zusteigen kann man an den Sehenswürdigkeiten, die angefahren werden. Mehr dazu steht hier: www.city-sightseeing.it

Der Trick mit dem verspäteten Bus

Auf den Bus muss man manchmal etwas warten. Die Dame aus dem Busbüro hat für die Touristen eine clever Hinhaltetaktik entwickelt. Sie verspricht: In fünf Minuten ist der Bus da, bleiben Sie hier, fahren Sie nicht mit der Konkurrenz. Nach 10 Minuten fragt der erste Tourist, wo denn der Bus bleibt. Nun tut die Frau so, als würde sie den Busfahrer anrufen. „Alles bene!“, verkündet sie dann, „Der Bus ist auf dem Weg. Gleich ist er da.“

Es dauert rund fünf Minuten, bis sich der nächste Tourist an sie wendet und fragt, wo denn nun der Bus bleibt. Wieder telefoniert sie – oder tut zumindest so. „Alles paletti: Der Bus ist schon ganz nah. Er steht sozusagen ums Eck. Der Verkehr ist etwas zäh, aber jeden Moment muss der Bus eintreffen.“ Bis der Bus tatsächlich da ist, vergehen auf diese Weise rund 20 Minuten. Aber alle Touristen warten in freudiger Erwartung und wandern nicht zur Konkurrenz ab.

Palermo – eine Stadt wartet auf ihre Sanierung

Die Alternative zum Bus hieße Laufen. Und das ist keine Alternative, denn in der 650.000 Einwohner-Metropole gibt es keine Fußgängerzonen, aber dafür jede Menge Autos. Der Verkehr ist laut und chaotisch.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt schwer beschädigt. Statt alle Kraft in den Wiederaufbau der Altstadt zu stecken, wurden am Stadtrand billige Siedlungen hochgezogen. Das Zentrum der Stadt verfiel. Erst Bürgermeister Orlando leitete ernsthafte Sanierungsmaßnahmen ein. So wurde zum Beispiel 1997 das Teatro Massimo wiedereröffnet, eines der größten Opernhäuser Europas. Doch ganz befreien konnte sich Palermo bis heute nicht von Städten des Verfalls, des Mülls und des Drecks. Diese Seite haftet der Stadt schon lange an. Bereits Goethe fragte 1787: „Woher kommt die Unreinlichkeit eurer Stadt?“ Eine Frage, auf die man auch heute keine rechte Antwort hat.

Palermo, Kornkammer der Welt

Palermo stand auch schon vor den Mafiakriegen und dem Zweiten Weltkrieg im Zentrum von Auseinandersetzungen. Seit der Antike galt Sizilien mit seinem fruchtbaren Land als die Kornkammer der Welt. Um 800 nach Christus beherrschten die Araber diese Kornkammer. 1072 eroberten die Normannen unter Roger I. die Stadt. Noch heute erkennt man diese Entwicklung an der arabisch-byzantinischen-normannischen-Stilmischung in der Architektur. Zum Beispiel bei der Sommerresidenz LaZisa oder den Kirchen SanGiovanni degli Eremiti und San Cataldo.

Arabisch-normannischer Stilmix

Die Kathedrale erscheint als arabisch-normannischer Stilmix mit klassizistischer Kuppel. Sie war ursprünglich eine Kathedrale. Dann eine Moschee. Dann wieder eine Kathedrale. Ständige Umbauten haben ihre Spuren hinterlassen. Dieses Gebäude wirkt unentschlossen, gefangen in verschiedenen Welten.

Innen gibt es königliche Gräber zu besichtigen. Darunter der Sarkophag von Staufenkaiser Friedrich II. Sehenswert? Höchstens für Leute, die Gräber schön finden können. Für solche Menschen hat Palermo noch mehr zu bieten. In den Katakomben des Kapuzinerkonvents auf dem Piazza Cappuccini. Hier gibt es über 1.200 Mumien von Mönchen und Einwohnern zu betrachten.

Orto Botanico: für Goethe der wunderbarste Ort der Welt

Deutlich frischer und sehenswerter ist diese Sehenswürdigkeit in Palermo: der Botanische Garten. Der „Orto Botanico“ ist der „wunderbarste Ort von der Welt“, stellte Goethe geradezu euphorisch fest. Wer hätte gedacht, dass sein „Verweile doch, du bist so schön“ aus Faust II ausgerechnet in Palermo ausgesprochen wird. Über 12.000 Pflanzenarten gibt es zu bestaunen. Ebenfalls sehenswert sind die Bäume im Giardino Garibaldi, einem kleinen Park vor dem Palazzo Chiaramonte. Hier wachsen die größten Feigenbäume Europas. Auf WowPlaces gibt es einen eigenen Bericht darüber. Klicke hier.

Weitere Sehenswürdigkeiten und Tipps in Palermo

Monte Pellegrino: die schönste Aussicht. Die wohl schönste Aussicht auf die Stadt hat man vom Monte Pellegrino. Der 606 Meter hohe Hausberg Palermos ist zugleich ein Wallfahrtsort. Hier wurden die Gebeine der Schutzheiligen Rosalia gefunden. 1625 wurde auf dem Berg deshalb eine Kirche errichtet.

Fontana Pretoria: der schönste Platz. Der Fontana Pretoria ist ein gewaltiger Brunnen aus der Zeit der Renaissance, der von Statuen umgeben ist. Flussgötter, Sagengestalten, Heilige und Helden. Übrigens: Der Platz wird noch interessanter, wenn man weiß, dass es hier kostenloses WiFi gibt.

Mercato della Vucciria: der schönste und älteste Markt. In der Altstadt gelegen, zwischen Piazza San Domenico und dem Hafen. Hier säumen viele unterschiedliche Stände die Straßen. Es gibt frische Meerestiere, Obst, Gemüse, Kleidung, Waschmittel, Wein und so weiter. Der Markt hat zwar in den letzten Jahren an Glanz verloren, ist aber noch immer sehenswert und verströmt eine ganz eigene Atmosphäre. Wer ein Gefühl für Palermo bekommen will, muss hier gewesen sein.

Wo gibt’s das beste Eis in Palermo?

Überall: das leckerste Eis. Palermo ist berühmt für sein köstliches Eis. Und seine exotischen Sorten, etwa „Rotwein“, „Datteln“ und „Kaktus“.

Mondello: der schönste Badestrand. Mondello ist ein Vorort von Palermo. Blaues Meer, feiner Sand, historische Villen – hier kann man wunderbar baden.

Fazit: Palermo ist eine Stadt, auf die man sich einlassen muss. Eine Stadt, die mit ihrem Image als Mafiahochburg zu kämpfen hat, aber charmante und sehenswerte Highlights zu bieten hat. Der Besuch lohnt sich.

Wie wird das Wetter in Palermo? Gleich nachschauen, hier geht’s zum Palermowetter.

Hier geht die Italienreise weiter.

8 Kommentare

  1. Hallo Mario,
    nur ein Nachmittag ist in der Tat etwas kurz. Aber Palermo ist ja nicht aus der Welt, da lohnt sich auch ein zweiter Besuch.
    Grüße,
    Philipp

  2. Hej Philipp, danke für die tollen Tipps! Ich träume schon so lange von Sizilien und Ende Juni ist es endlich so weit! Dein Artikel war schon mal eine schöne Einstimmung!

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