Asisi Leipzig: So sieht die Titanik heute aus

Asisi Leipzig

Selbst, als die Titanik schon gegen den Eisberg gefahren war, hieß es noch: „Bleiben Sie ruhig, kehren Sie in Ihre Kabine zurück. Die Titanik kann gar nicht sinken.“ Was von dieser Behauptung zu halten ist, wissen wir alle. Die dramatischen Ereignisse auf der Titanik sind wiederholt erzählt worden. Doch wie sieht die Titanik heute aus? Der Künstler Yadegar Asisi beantwortet diese Frage mit einem spektakulären 360 Grad Panoramabild, das die gesunkene Titanik zeigt. Es ist noch das ganze Jahr 2017 im Panometer Leipzig zu sehen. Wir sind auf Tauchstation  gegangen und haben uns Asisis Titanik-Ausstellung angesehen.

Ich haben den Kopf nach hinten gestreckt, als würde ich zu einem Wolkenkratzer aufsehen. Tatsächlich ist es aber der Bug der Titanik, die von Scheinwerfern in ein düsteres Rot-violett gehüllt ist. Weit, weit über mir, in 23 Metern Höhe, hängt der mächtige Anker. Die Installation von Yadegar Asisi im Leipziger Panometer heißt „Der Bug“ und bildet die Spitze der Titanik ab. Dreidimensional. Und im Maßstab 1:1. Wow! Eine tolle Idee.

So bekommt man wirklich ein Gefühl dafür, wie gewaltig die Titanik war. „Zum Zeitpunkt ihrer Jungfernfahrt war die Titanik das größte bewegliche Objekt, das je von Menschen gebaut wurde – die größte Maschine der Welt“, lese ich auf den Informationspostern.

Eine Wow-Installation: der Bug der Titanik im Maßstab 1:1.
Eine Wow-Installation: der Bug der Titanik im Maßstab 1:1.

Asisi Leipzig: die Titanik-Tragödie

Eigentlich sollte die Titanik neue Maßstäbe beim Reisekomfort setzen. Zusammen mit zwei Schwesterschiffen, ebenfalls mächtige Dampfer der Olympic-Klasse, sollte die Titanik die Strecke Southampton – Cherbourg – Queenstown – New York und zurück bedienen. Doch schon die Jungfernfahrt ging schief. Am 14. April 1912 stieß die Titanik gegen 23:40 Uhr im Nordatlantik seitlich mit einem Eisberg zusammen. „Nicht einmal Gott könnte dieses Schiff zum Sinken bringen“, sagte noch ein Besatzungsmitglied zu einer Passagierin beim Boarden. Alles Unsinn. Es dauert 2 Stunden und 40 Minuten – dann ist die Titanik im Atlantik versunken.

Es ist ein Schock. 1514 von insgesamt über 2200 Menschen an Bord kommen bei dem Unglück ums Leben. Die Rettungsboote reichen nicht aus und die Crew ist der Situation nicht gewachsen. Der Untergang der Titanik gilt als eine der größten Katastrophen der Seefahrt. Danach werden umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen auf den Weg gebracht.

Tragisch, dass offenbar immer erst eine Tragödie passieren muss, bevor sich etwas bewegt. Es ist erschreckend, wie wenig sich bis heute geändert hat. Erst nach dem Terroranschlag auf den Berliner Breitscheidplatz ringt man sich in Berlin dazu durch, die Weihnachtsmärkte mit Steinbarrieren zu sichern und auch an öffentlichen Plätzen Überwachungskameras aufzustellen. Erst nach dem verheerenden Brand im Londoner Grenfell Tower kontrollieren die Behörden in Großbritannien den Brandschutz an Hochhäusern.

Die Titanik
Die Titanik

„Die Titanik kann gar nicht sinken“

Interessant ist der felsenfeste Glaube der damaligen Zeit, mit Technik könne man alle Hindernisse überwinden und jedes Problem lösen. Alles geht. Auch die Angst vor dem Sinken des Dampfers glaubt man überwunden zu haben.

Auf jeden Fall ist das Schiff unsinkbar, und es besteht absolut keine Gefahr für die Passagiere.

Philip A. S. Franklin, Vizepräsident der White Star Line

Wir sind vollkommen überzeugt davon, dass sie selbst im Falle einer Kollision mit einem Eisberg nicht in Gefahr ist. Mit ihren zahlreichen wasserdichten Abteilungen ist sie absolut unsinkbar, und es macht keinen Unterschied, womit sie kollidiert. Die Meldung sollte niemanden ernsthaft ängstigen.

Philip A. S. Franklin, Vizepräsident der White Star Line, in den frühen Morgenstunden des 15. Aprils 1912 zu den eingehenden Meldungen über die Kollision der Titanik mit einem Eisberg

Es wurde mir gesagt, dass die Titanik auf einen Eisberg gefahren ist, es sei aber keine Gefahr vorhanden, ich sollte mich beruhigen und in die Kabine zurückgehen. Dies wurde mir von mehreren gesagt und auch betont, ‚Die Titanik kann gar nicht sinken.

Passagier
Asisi Leipzig: 3.800 Meter tief liegt das Wrack der Titanik.
Asisi Leipzig: 3.800 Meter tief liegt das Wrack der Titanik.
Asisi Leipzig: Das Bordorchester spielte bis zum bitteren Ende, damit keine Panik aufkommt. Alle Musiker gingen mit der Titanik unter.
Asisi Leipzig: Das Bordorchester spielte bis zum bitteren Ende, damit keine Panik aufkommt. Alle Musiker gingen mit der Titanik unter.
Asisi Leipzig: Manche Details sind künstlerische Freiheit.
Asisi Leipzig: Manche Details sind künstlerische Freiheit.
Raumwunder: Die Installation hat viel Platz.
Raumwunder: Die Installation hat viel Platz.

„Praktisch unsinkbar“ dank Technik.

Durch bloßes Betätigen eines elektrischen Schalters kann der Kapitän augenblicklich sämtliche Türen verriegeln und so das Schiff praktisch unsinkbar machen.

The Shipbuilder, Fachblatt

Ich sage, dass ich mir keinen Umstand vorstellen kann, der ein solches Schiff zum Sinken bringen könnte. Ich kann mir kein ernsthaftes Unglück vorstellen, das diesem Schiff zustoßen könnte. Der moderne Schiffbau hat diese Möglichkeit überwunden.

Kapitän Edward John Smith

Asisi Leipzig: Die Versprechen der Moderne

Yadegar Asisis Titanik-Ausstellung im Panometer Leipzig dreht sich nicht nur um die Titanik, es geht um mehr. Die Titanik ist für ihn und sein Team ein Symbol dafür, dass der Mensch versucht, die Natur zu beherrschen – und scheitert. Entsprechend lautet der Titel der Titanik-Ausstellung: „Die Versprechen der Moderne“. Jeder versprach, dass die Titanik unsinkbar sei – doch das war ganz offensichtlich falsch. Die Idee, auf die sich das „Unsinkbar“-Argument stützte war, das Schiff in Abteilungen aufzuteilen, die durch Querschotts voneinander abgeriegelt werden können, wenn es in einer Abteilung zu einem Schaden kommt. Geholfen hat es wenig, die Risse waren einfach zu umfassend und haben gleich mehrere Abteilungen uns Unglück gerissen.

Kurios: Um den Menschen noch mehr Sicherheit zu vermitteln, wurde auf der Titanik ein vierter Schornstein aufgestellt, weil Dampfer mit vielen Schornsteinen als besonders sicher galten. In Wirklichkeit war der vierte Schornstein nur eine Attrappe.

Das 360 Grad Panorama der Titanik

Nach einer umfangreichen Fotoausstellung über Stahl, Wolkenkratzer und gewaltige Dampfer gelangen die Besucher schließlich zum Höhepunkt der Ausstellung: dem 360 Grad Panoramabild. Ich betrete eine gewaltige Halle, die in schwaches Licht getaucht ist. In der Mitte steht ein 15 Meter hoher Metallturm. Eine Treppe führt die einzelnen Stockwerke hinauf. Von hier aus hat meinen einen guten Blick auf die Unterwasserwelt, die bis zu einer Höhe von 32 Metern reicht. Ich blicke mich um: Das 360 Grad Fotopanorama bildet im Maßstab 1:1 die Titanik ab. Ein Trümmerfeld, das friedlich auf dem Meeresgrund ruht. 3.800 Metern unter Wasser liegt alles ruhig da, schwach beleuchtet von Tauch-U-Booten.

Insgesamt 3.500 Quadratmeter Platz hat Yadegar Asisi, um einen Eindruck davon zu vermitteln, wie die Titanik heute aussieht. Ganz realistisch geht es dabei nicht zu. So läuft es zum Beispiel unter dem Begriff „künstlerische Freiheit“, dass er Details beim Mobiliar, bei Gepäck und bei Alltagsgegenständen ergänzt. Die Fotos, mit denen Asisi arbeitet, stammen von Tauchbooten, die den Mythos vermessen und dokumentiert haben.

Asisi Leipzig: eine tragische Geschichte

Der Betrachter taucht ein in eine tragische Geschichte. Bei der Titanik kam einiges zusammen. Irrungen, Wirrungen. Da gab es zum Beispiel die Anweisung „Frauen und Kinder zuerst“. Sie wurde oft so ausgelegt, dass Männer auf keinen Fall in die Rettungsboote steigen sollten. Die Crew war einfach falsch ausgebildet. Alle hatten geglaubt, die Titanik könne gar nicht sinken und hatten sich daher kaum mit den Rettungsbooten beschäftigt. Zwar waren viel zu wenig Plätze für alle Passagiere vorhanden, aber es kam oft vor, dass die Boote halb leer ablegten, weil Frauen annahmen, die Titanik sei sicherer als so ein kleines Rettungsboot.

Im Nebel tauchten die Lichter eines vorbeifahrenden Schiffs auf. Notfeuer wurden entzündet, doch das Schiff reagierte nicht und fuhr weiter. Ebenfalls tragisch: Aus Angst, überfüllt zu kentern, ruderten halb besetzte Rettungsboote davon und ließen im eiskalten Wasser Schwimmende und um Hilfe rufende Passagiere zurück. Nur ein einiges Rettungsboot kehrte um und kam den Ertrinkenden zu Hilfe. Es ist eine Tragödie, wie man sie sich schlimmer kaum vorstellen kann.

Asisi Leipzig im Vergleich zu Asisi Berlin

Ich kenne Asisi aus Berlin, wo er am Checkpoint Charlie ein 360 Grad Bild von der Berliner Mauer installiert hat. Im Vergleich zu Berlin wirkt Asisi Leipzig weniger eindringlich. Vielleicht liegt es auch an der Akustik, aber so ganz packt es mich nicht. Sicher: Das Bild ist eindrucksvoll und imposant. Aber ich gebe zu: So richtig springt der Funke nicht über. Am interessantesten finde ich bei dieser Ausstellung die Texte – und nicht die Bilder. Es ist schon erstaunlich, wie tief der Glaube an die allmächtige Technik ausgeprägt war. Insofern erreicht die Ausstellung ihr Ziel. Nur wahrscheinlich mit anderen Mitteln, als gedacht.

Adresse, Tickets, Öffnungszeiten

Adresse: Asisi Leipzig, im Panometer, Richard-Lehmann-Straße 114, 04275 Leipzig, Website

Tickets:
Erwachsene: 11,50 €
Kinder: 6 €
Kinder unter 6 Jahren: frei

Öffnungszeiten:
Di – Fr: 10 – 17 Uhr
Sa, So, Feiertage: 10 – 18 Uhr
Mo geschlossen (außer an Feiertagen sowie Montags-Sonderöffnungen)


Hier geht die Reise weiter.

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