Städel Frankfurt: So geht Museum heute

Staedel Museum
Staedel Museum

Das Städel Museum in Frankfurt ist der Beweis dafür, dass ein Museum nicht langweilig und verstaubt sein muss. Tatsächlich ist es so up-to-date, dass es aktuell sogar für den Grimme Online Award nominiert ist. Wow! Wir haben es besucht.

Wenn Goethe heute gelebt hätte, dann wäre er vermutlich Reiseblogger geworden. Von September 1786 bis Mai 1788 reiste Goethe durch Italien und schreib seine Eindrücke auf. Weil es damals noch kein Flugzeug gab, musste der Dichterfürst mit der Postkutsche fahren. „Goethe in der Campagna“ ist der Titel eines Gemäldes, das ich noch aus meiner Schulzeit kenne. Es ist ein seltsames Gefühl, nun plötzlich vor dem Originalbild zu stehen. Gemalt hat es Johann Heinrich Wilhelm Tischbein im klassizistischen Stil. Bereits seit 1887 gehört es dem Städel Museum in Frankfurt am Main, Goethes Geburtsstadt.

Was mir als Schüler nicht weiter auffiel, sind die offensichtlichen Fehler auf dem Gemälde. Kurios: Goethe hat darauf zwei linke Füße. Vergleicht man die Beine miteinander, erscheint das linke Bein seltsam lang. Fast könnte man meinen, das Bild sei unvollendet von einem zweiten Künstler fertig gestellt worden. Doch das ist reine Spekulation. Bis heute ist nicht geklärt, wie es zu den zwei linken Füßen des Geheimrats kam. Es ist nicht das einzige besondere Kunstwerk im Städel Museum, aber vielleicht das amüsanteste.

So ganz genau kann man das allerdings gar nicht sagen, denn in der Ausstellung hängt nur 1 Prozent aller Schätze, die das Städel besitzt. Insgesamt umfasst die Sammlung rund 3.100 Gemälde, 660 Skulpturen, 4.600 Fotografien sowie über 100.000 Zeichnungen und Grafiken. Damit bildet das Museum 700 Jahre europäische Kunstgeschichte ab. Vom frühen 14. Jahrhundert über die Renaissance, den Barock, die klassische Moderne bis hinein in die Gegenwart.

Staedel Museum

Im Städel Museum in Frankfurt am Main

Wir schlendern durch die Ausstellung. Hohe Decken, dunkles Parkett bzw. Fließen und immer wieder andere, durchaus intensive Farben an den Wänden. In einem hellen Raum bemerken wir das Prasseln des Regens gegen das hohe Glasdach. Es ist ruhig, alle Blicke sind an die Wände gerichtet. Hier hängen Werke von Dürer, Botticelli, Rembrandt, Vermeer, Monet, Picasso, Beckmann, Bacon und Richter. Das Who is Who der Kunstgenies hat sich eingefunden, damit der verregnete Tag in Frankfurt für uns nicht ins Wasser fällt. Die Räume geben den Werken viel Raum zum atmen, um so ihre Wirkung entfalten zu können. Die Dauerausstellung ist untergliedert in „Alte Meister“, „Kunst der Moderne“ und „Gegenwartkunst“. Darüber hinaus gibt es jedes Jahr mehrere Sonderausstellungen.

Ein Museumsaufseher ermahnt mich diskret, meine Jacke anzuziehen. Vielleicht aus Sorge, ich könnte darunter einen Farbbeutel verbergen und mich an einem Monet vergreifen. Das ist natürlich Unsinn. Niemals würde ich einem Monet oder einem Picasso etwas antun. Einem Dürer schon eher. Aber das muss unter uns bleiben. Also ziehe ich die Jacke wieder an. Ich hätte sie auch im kostenlosen Schließfach lassen können, aber die Fotoausstellung, die später kommt, soll etwas kühler sein. Ich halte nach Kameras Ausschau und werde nicht enttäuscht. Bei solchen Werten überlässt man nichts dem Zufall. Kunsträuber gibt es ja nicht nur im Kino.

Staedel Museum

Spektakulärer Raub im Bode-Museum

Erst vor einigen Wochen ist das Bode Museum in Berlin beraubt worden. Diebe entwendeten nachts die Big Maple Leaf. Eine riesige, 100 kg schwere Goldmünze im Wert von 3,7 Millionen Euro. Sie zeigt Elizabeth II. Verkaufen kann man so eine Beute kaum. Aber einschmelzen, das geht. Bis heute hat die Polizei keine Spur von den Räubern. Interessant ist – und das stand nicht in den Zeitungen – dass nur einen Steinwurf entfernt Spezialisten von Bundeskriminalamt, Landeskriminalamt und dem Zentralen Objektschutz der Berliner Polizei auf der Lauer lagen – ohne etwas vom Einbruch zu bemerken.

In Ordnung, schließlich sollen sie ja auch nicht das Museum schützen, sondern unsere Bundeskanzlerin. Denn gegenüber vom Bode Museum wohnt Angela Merkel mit ihrem Mann. Das ist kein Staatsgeheimnis und wurde schon vielfach berichtet, aber nicht im Zusammenhang mit dem Diebstahl. Ob das etwas geändert hätte, wenn die Gangster von der massiven Polizeipräsenz ganz in ihrer Nähe gewusst hätten? Wie auch immer: So nachlässig wie das Bode-Museum wird man hier im Städel ja wohl hoffentlich nicht sein.

Staedel Museum

Seit 1815 up-to-date: #staedel

Alles begann 1815 als bürgerliche Stiftung von Bankier und Kaufmann Johann Friedrich Städel. Städel stiftete sein Haus am Rossmarkt sowie seine Kunstsammlung und sein Vermögen zur Gründung des nach ihm benannten Kunstinstituts. Schön ist, dass die Weiterentwicklung des Städel Museums auf vielen Schultern ruht. Bereits 1899 wurde der Städelsche Museums-Verein gegründet. 2008 kam das „Städelkomitee 21. Jahrhundert“ hinzu, das sich ausschließlich dem Erwerb zeitgenössischer Kunst widmet. Aber auch Unternehmen, Stiftungen und private Mäzenen leisten ihren Beitrag, damit die Kunst weiterhin ein schönes Zuhause hat und den geneigten Besuchern nahegebracht werden kann.

Gerade beim letzten Punkt unternimmt das Städel außergewöhnlich viel. 50 verschiedene Formate bietet das Museum an, um dem Publikum seine Kunst zu vermitteln. Darunter sind zum Beispiel besondere Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche, für Erwachsene, Familien und Senioren. Es gibt interaktive Führungen, Multitouchscreens, digitale Audioguides, Filme und sogar Seminaren. Außerdem ist das Städel in den sozialen Netzwerken aktiv. Wer sagt denn, dass ein Museum verstaubt und zurückgeblieben sein muss? Die Frankfurter beweisen das Gegenteil. Sie bespielen Twitter, Instagram, Facebook und Youtube und betreiben sogar einen eigenen Blog. Bäm! So macht man das heute.

Staedel Museum

Neuer Direktor, neue Impulse

Ein Hoch auf Dr. Philipp Demandt, den Direktor des Städel. Demandt ist erst seit Oktober 2016 im Amt, wurde aber von der FAZ großzügig mit Vorschusslorbeeren bedacht: „Frankfurt beweist mit der Berufung eine glückliche Hand“, applaudierte Rose-Maria Gropp im Feuilleton. Demandt, der vorher Leiter der Alten Nationalgalerie in Berlin war, wird sicher frische Akzente setzen und die Marke Städel weiter zu schärfen versuchen. Doch das braucht Zeit. Große Ausstellungen, die für Furore sorgen, können durchaus einige Jahre Vorlauf haben. Fünf Jahre Vorbereitungszeit etwa braucht die Ausstellung „Van Gogh und Deutschland“, die vom 30.10.2019 bis 16. 2.2020 im Städel zu sehen sein wird.

 

Die Becher-Klasse

Inzwischen sind wir zur Sonderausstellung „Die Becher-Klasse“ vorgedrungen. Es wird nun tatsächlich kühl. Vor allem auf den Bildern. Etwa bei den kühlen monumentalen Architekturfotografien Candida Höfers. Gezeigt wird die ganze Bandbreite der Becher-Fotografien. Ein Paradigmawechseln von der Dokumentation hin zur Kunst? Ein Spiel mit Realität und Fiktion? Die Schüler schlagen verschiedene Wege ein. Zum Beispiel diesen:

„Fotografie zwischen Malerei und Pixel.“ Weiter heißt es auf einem Schild: „Anfang der 1990er-Jahre begannen Andreas Gursky, Thomas Ruff und Jörg Sasse die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung zu nutzen.“ Ein hochaktuelles Thema in Zeiten, in denen Lügen als „alternative Fakten“ verkauft werden. Durch die digitalen Möglichkeiten der Bildbearbeitung verschwinden die Grenzen des Möglichen. Realität ist, was real aussieht, sagt das Auge. Doch der Kopf weiß es besser.

Wer von beiden stärker ist? Schwer zu sagen. Dazu muss man sich die Ausstellung schon selbst ansehen. Und da das Städel so modern aufgestellt ist, geht das sogar online. Bitte hier entlang. Trotz aller digitaler Möglichkeiten empfehle ich jedoch den guten alten analogen Besuch. Also ruhig mal vorbeischauen. Und schöne Grüße an den Herrn mit den zwei linken Füßen.

Staedel Museum

Städel Museum: gut zu wissen

Anschrift: Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt

Informationen im Web:
Website
Städel Blog 

Öffnungszeiten:
Museum: Di, Mi, Sa und So 10.00–18.00 Uhr, Do und Fr 10.00–21.00 Uhr
Graphische Sammlung: Mo, Fr 14.00–17.00 Uhr, Do 14.00–19.00 Uhr
Bibliothek: Di, Mi und Fr 10.00–17.00 Uhr, Do 10.00–20.00 Uhr

Eintritt: 14 Euro, ermäßigt 12 Euro, Familienkarte 24 Euro
freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren

Tickets: im Online Shop


Hier geht die Reise weiter.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert