Gefährliche Wanderung zum Kreidefelsen

Stell Dir vor, Du stehst nachts an einem über 100 Meter hohen Abhang und blickst hinüber zu den weißen Kreidefelsen auf Rügen, die fast senkrecht zum Strand abfallen.

Der Mond ist aufgegangen und spiegelt sich auf dem Wasser der Ostsee. Unaufhörlich schwappen niedrige Wellen an den Strand. Bis auf die Brandung der Wellen ist es ganz still und friedlich. Nur ab und zu knackt es weit entfernt im Gebüsch, vielleicht ein Reh oder ein Hase. Dann passiert es: Der Abhang, auf dem Du stehst, bricht ab. Bäume ächzen, Felsen rollen, die Erde öffnet sich. Wie in Zeitlupe löst sich der Abhang vom Kliff und stürzt mit Dir in die Tiefe. Als der Koloss am Strand aufschlägt, zersplittern die Bäume wie Zahnstocher. Der ohrenbetäubende Aufprall ist Kilometerweit zu hören. Diese Szene fand tatsächlich statt – aber zum Glück ohne Dich.

Die Kreidefelsen von Rügen.

In der Nacht des 24. Februars 2005 stürzten 50.000 Kubikmeter Kreide auf den Strand. Die Küstenlinie war kaum mehr wiederzuerkennen. Der dramatische Abbruch der Wissower Klinken lag zum einen an der Meeresbrandung, die schon immer auf die Kreidefelsen einwirkt. Zum anderen lag der Abbruch am Druck aus dem Landesinneren, den eiszeitliche Ablagerungen ausüben. Nach dem Tauwetter am 24. Februar war es dann soweit: Gefrorenes Niederschlagwasser sprengte die Kreisformation ab. Das Besondere daran: Das ist nichts Besonderes. So ein Abbruch kann jederzeit wieder passieren.

Die Natur ist unberechenbar.

Hinweise darauf finden wir regelmäßig, als wir uns aufmachen, den größten Kreidefelsen Rügens einen Besuch abzustatten: dem Königsstuhl. Immer wieder gibt es Warnschilder, auf denen zum Beispiel steht:

Warnung. Die Kreideküste ist uneingeschränkt der natürlichen Dynamik ausgesetzt. Deshalb besteht immer die Gefahr von Kliffabbrüchen. Gerade starke Niederschläge, aber auch das im Frühjahr einsetzende Tauwetter bedingen solche Abbrüche und können einen Aufenthalt im Bereich des Steilufers lebensgefährlich machen. Die Natur ist unberechenbar. Gefahr von Kliffabbrüchen. Gefahr von herabfallenden Ästen. Vorsicht Steinschlag.

Vor einem Zugang zur Steinküste prangt ein Gefahrenzeichen. „Abbruchgefahr. Betreten verboten“, heißt es darunter. Zusätzlich ist der Zugang mit einer Holzschranke versperrt, mit einem Holzzaun verbarrikadiert und mit einem Signalband gekennzeichnet. Junge, Junge, hier möchte jemand absolut sicher gehen, dass kein Tourist sich über das Verbot hinwegsetzt. Achtung, Achtung: Dies ist keine Übung.

Im Folgenden habe ich ein kurzes Video mit einigen Szenen für Dich zusammengestellt, in dem Du Dir einen Eindruck von der Kreideküste verschaffen kannst.



Auf dem Hochuferweg zum Königsstuhl.

Dass dem geneigten Wanderer hier durchaus mal der Boden unter den Füßen in die Tiefe stürzen kann, wenn er allzu wagemutig ist, belegen auch einige Bäumchen, die wir passieren. Sie sind am Hang mitsamt ihrem Erdreich nach vorne gekippt und hängen jetzt waagerecht über dem Abgrund.

Der Weg zum Königsstuhl ist 7 km lang, wenn man von Sassnitz aufbricht. Ein insgesamt 11 km langer Hochuferweg führt auf gut befestigten Wegen an der Kreideküste Rügens entlang zum Nationalpark-Zentrum Königsstuhl. Von der Gefahr merkt man nichts. Auch andere Besucher wagen sich mutig oder ahnungslos weit nach vorne an den Abhang und schauen nach unten, schießen Fotos und filmen. Von Nervosität keine Spur.

Verblüffende Farben in der Ostsee.

Kein Zweifel: Die Kreidefelsen des Nationalparks Jasmund auf Rügen sind sehenswert und gelten als eines der markantesten Wahrzeichen der Insel. Der Königsstuhl ist am bekanntesten. Erhaben thront er in einer Höhe von 118 Metern über der Ostsee. Das Interessanteste jedoch sieht man nicht am Felsen, sondern im Meer: Es sind die Farben. Durch den feinen, weißen Kalk im Wasser färbt es sich türkis und hell. So erinnert es manchmal fast schon an die Karibik.

Warum heißt der Königsstuhl Königsstuhl?

Vorher der Name Königsstuhl kommt, weiß niemand so genau. Und wie das nun mal so ist, wenn niemand etwas Genaues weiß, bilden sich schnell Sagen und Vermutungen. So heißt es zum Beispiel, der Name Königsstuhl gehe auf das Jahr 1715 zurück, als der schwedische König Karl XII. von diesem Felsen aus eine Seeschlacht gegen die Dänen geführt haben soll. König Karl XII. sei von der Schlacht derart ermüdet gewesen, dass er sich angeblich einen Stuhl bringen ließ. Der Name Königsstuhl war geboren.

Ebenso unterhaltsam ist die Theorie, der Name Königsstuhl komme von dem Brauch, dass derjenige, der als erstes den Felsen hochklettern könne und auf einem Stuhl Platz nehme neuer König sein soll.

Wandern im UNESCO Welterbe.

Der Weg zum Königsstuhl führt durch einen dichten Buchenwald und ist gut zu bewältigen. Die alten Buchenwälder im Nationalpark Jasmund sind von der UNESCO zum Welterbe erklärt worden. Respekt, fühlt sich doch gleich anders an, in einem Welterbe herumzulaufen. Sicher, es gibt einige fiese Steigungen im Welterbe. Und oft hat man das Gefühl, den Bäumen die ganze Zeit auf die Füße bzw. Wurzeln zu treten, aber es gibt Schlimmeres. Zum Beispiel, sich mit Flip-Flops und Kinderwagen auf den Weg gemacht zu haben. Wir kommen an einem Paar vorbei, das genau das gemacht hat. Hoppla.

Über die Rettungsleiter zum Strand.

Die „Rettungsleiter Kieler Bach“ führt die Kreidefelsen steil nach unten zum Strand. Es ist ziemlich steinig hier. Ein kleiner Mini-Wasserfall plätschert aus dem Gestein. Der Blick nach oben ist atemberaubend. Beinahe senkrecht fallen die Klippen zum Strand ab.

Als wir weiter gehen, fällt uns auf, dass nun immer mehr Wanderer zu sehen sind. Wo kommen die denn alle her? Die Auflösung bringt der Parkplatz am Nationalparkzentrum Königsstuhl. Die Leute sind nicht gelaufen, sondern von Sassnitz mit dem Bus gefahren. Schade, sie haben was verpasst. Denn der Blick auf die Kreidefelsen ist ausgerechnet am Ziel nur halb so spektakulär wie auf dem Weg dorthin.

Trotzdem kommt uns der Busparkplatz gerade recht. Schon nach wenigen Minuten kommt der nächste Bus und bringt uns zurück nach Sassnitz. Einmal den Hochuferweg laufen, das reicht.

Informationen zum Nationalpark-Zentrum Königsstuhl

Im Nationalpark-Zentrum Königsstuhl kann man sich eingehend über die Kreidefelsen, die Küste und das Welterbe Buchenwälder informieren. Das Gebiet umfasst 2.000 qm Ausstellungsfläche und 28.000 qm Außengelände. Geboten werden Erlebnisausstellungen mit Audioguide, Multivisionskino, Bistro, Shop und – auch nicht unwichtig – Toiletten. Es gibt Spielplätze, Abenteuer-Parcours mit Kletterbäumen und die „Wiese der Romantik“.

Öffnungszeiten: Ostern bis 31.10. von 9 bis 19 Uhr.
1.11. bis Ostern von 10 bis 17 Uhr.

Tickets: Erwachsene 8,50 €, Kinder unter 6 Jahren: kostenlos, Kinder von 6 bis 14 Jahren: 4 €, Familien-Ticket: 17 €.

Mehr Infos für die Reise bzw. den Trip zum Nationalpark-Zentrum Königsstuhl gibt’s hier.

Kreidefelsen Rügen: Anfahrt von Binz nach Sassnitz

Wer von Binz aus startet, um die Kreisefelden von Rügen zu sehen, der fährt am Besten mit der Buslinie 20 oder 23 nach Sassnitz zum Busbahnhof Sassnitz. Von dort geht es weiter mit der Buslinie 18 nach Sassnitz Wedding. Aussteigen und los geht die Wandertour! Die Wanderstrecke ist beschildert. Hier kannst Du Dir den Busfahrplan von Sassnitz Busbahnhof nach Sassnitz Wedding herunterladen: Busfahrplan.


Hier geht die Reise weiter.

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