Meer oder Berge? Auf Rügen gibt es beides. – Reiseführer vom Reiseblog WowPlaces.
Urlaubszeit ist auch Diskussionszeit. Die Frau möchte am Meer an ihrer Bräune arbeiten, der Mann lieber in den Bergen durch die Natur wandern – oder umgekehrt. Meer oder Berge lautet die Fragen aller Urlaubsfragen. Schwierig, wenn die Wünsche so verschieden sind. Beides bekommt man kaum unter einen Hut. Irrtum! Auf Rügen ist beides möglich. In diesem Reisebericht beschreibe ich eine Wanderung am Sandstrand von Binz nach Prora und eine Wanderung auf dem Hochuferweg von Binz nach Sellin.
Meer oder Berge? Meer!
Wanderung am Strand von Binz nach Prora
Was soll ich mitnehmen? 5,5 Kilometer ist er lang, der Sandstrand bei Binz. Davon beträgt die Strecke von Binz nach Prora etwa 5 Kilometer. Der Sand ist fein, hell und steinlos, so dass man wunderbar darauf laufen kann. Für das Wandern am Strand braucht man also keine Flip Flops. Allerdings sollte man trotzdem welche mitnehmen, denn in Prora gibt es Abschnitte ohne Sand mit Steinen.
Außerdem sollte man etwas Geld für einen der Eiswagen dabei haben, die am Strand herumfahren. Ab und zu gibt es auch kleine Strandbars, wo man einen Snack und etwas zu trinken kaufen kann. Sonnencreme und Sonnenbrille sowie eine Kopfbedeckung sollten ebenfalls nicht fehlen.
Kann ich unterwegs baden? Du möchtest Dich unterwegs in der Ostsee abkühlen? Klar, gute Idee, packe Badesachen und ein Handtuch ein. Das Ufer ist flach, so dass Du bequem in die Ostsee waten kannst. Allerdings wird das Wasser oft als kalt wahrgenommen, so dass viele sich gar nicht erst hinein trauen. Wer sich allerdings die ersten eins, zwei Minuten überwindet, wird erstaunt feststellen, dass sich der Körper angepasst hat und man das Wasser nach einiger Bewegung gar nicht mehr als kalt empfindet. Im Gegenteil: Es kommt einen nun auf wundersame Weise warm vor.
Die ersten Kilometer
Auf was muss ich unterwegs achten? Unterwegs muss man ein bisschen aufpassen, denn am Strand kommen wir immer wieder an Ohrenquallen (Aurelia aurita) vorbei. Keine Sorge, das klingt dramatischer, als es ist, denn Ohrenquallen sind für den Menschen nicht giftig oder gefährlich. Ihrem Namen verdankt die Ohrenqualle den Ohrenzeichnungen auf ihrem Schirm, die eigentlich ihr Geschlechtsorgane sind. Bei Weibchen sind sie rotviolett, bei Männchen rotorange.
Quallen ernähren sich von Plankton, Wasserflöhen und Krebsen. Da der Plankton in den Meeren immer schneller wächst, haben Quallen gute Lebensbedingungen und vermehren sich rasant. Gleichzeitig gibt es immer weniger Fressfeinde für die Quallen, den die Meere sind überfischt. Mit anderen Worten: Auch wenn Du auf einige Ohrenquallen am Strand stößt, musst Du nicht fürchten, die Art würde aussterben. Das Gegenteil ist der Fall.
Während wir nach Prora wandern, begegnen uns immer wieder kleine Baumeister, die Sandburgen und anderen Sandgebilden entstehen lassen. Nach einigen Kilometern werden die Leute so arm, dass sie sich keine Badehose und keinen Bikini mehr leisten können. Sie laufen nackt herum. Stolz wird der Bierbauch präsentiert. Wir laufen am FKK Strand vorbei. Nach rund 5 km erreichen wir den Hundestrand und stoßen auf eine große Mauer. Ob wir etwas vom Weg abgekommen und ohne es zu wissen zur Chinesischen Mauer gewandert sind? Ein Blick auf das Navigationsgerät des Smartphones und wir können aufatmen: Wir sind nicht in China, sondern in Prora.
Prora: der Geschichte auf der Spur
Wir wenden uns nach links und gehen einige Stufen nach oben. Von hier aus erkennen wir auf der linken Seite einen gewaltigen grauen Klotz. Das ist die „größte zusammenhängende Immobilie der Welt“. Oder zumindest, das, was noch von ihr übrig ist bzw. das, was neu daraus entsteht. Die Nazis wollten auf Rügen für 20.000 Menschen Urlaubsunterkünfte bauen, die jedem Deutschen 2 Wochen im Jahr Urlaub ermöglichen.
Diese Philosophie nannten sie „Kraft durch Freude“. Es ging also nicht darum, dass man sich zum reinen Vergnügen erholt, nein! Es ging darum, dass man sich erholt, damit man hinterher umso eifriger für die Nazis arbeiten kann. Die Architektur war dabei so gestaltet, dass das Individuum in der Masse untergeht. Der einzelne Mensch zählt nichts, es kommt auf die Gemeinschaft an. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurden die Arbeiten an dem Megaprojekt eingestellt.
Der Weg zum Nazi-Bau
Noch immer kommt die Ruine von Prora mächtig und gewaltig daher. Wir gehen weiter auf sie zu und kommen dabei an einem hohen Metallzaun vorbei. Der Weg ist schlecht, manchmal steinig. Spätestens jetzt sollte man seine Schuhe anziehen. Seltsam: Gerade noch schönster Strand mit Sandburgen, jetzt eine verlassene Steppenlandschaft die an Filme wie „Krieg der Affen“ oder „Mad Max“ erinnert. Das Areal wirkt wie nach dem 3. Weltkrieg. Wenn jetzt Männer mit gelben Schutzanzügen und Geigerzählern auftauchen, die die Radioaktivität messen, würde mich das auch nicht wundern. Schön ist es nicht hier, aber interessant. Wir sind einem Stück deutscher Geschichte auf der Spur. Der Pfad beschreibt eine Kurve nach rechts, weiter geradeaus über verschlungene Pfade durch einen Wandabschnitt, vorbei an einem Club, der hier Partys feiert – dann wieder ein Nazi-Bau.
Luxuswohnungen statt Verfall
Überraschung: Der verfallene Nazi-Bau wird restauriert. Private Investoren machen Luxuswohnungen daraus. Das Geschäft läuft gut, die Wohnungen sind begehrt und gehen weg wie das Eis an der Strandpromenade. Wir spazieren an einigen Wohnungen vorbei. Wenn nicht die Nazi-Historie wäre, könnte man die Wohnungen durchaus attraktiv finden. Wir wandern vorbei am neuen Luxus und folgen dem Weg nach rechts – zurück zum Strand. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder mit dem Bus von Prora nach Binz zurückfahren oder zurücklaufen. Wir laufen. 10 km Strecke. Nicht schlecht, das ruft nach einem Eis!
Meer oder Berge? Berge!
Wanderung auf dem Hochufer von Binz nach Sellin
Zugegeben: Wir sprechen hier nicht von einem 8.000er Berg. Eine Sauerstoffmaske muss man zumindest für diese Strecke nicht einpacken. Aber ab und zu geht es ganz schön steil nach oben, nach unten und über Stock und Stein. Festes Schuhwerk ist also sehr zu empfehlen. Im Schnitt befindet man sich 40 bis 60 Meter über dem Meeresspiegel.
Die Strecke von Binz nach Sellin ist etwa 8 km lang und dauert zwischen 1,5 und 2,5 Stunden – je nach dem, wie eilig man es hat. Dabei durchquert man das Naturschutzgebiet Granitz. Der Name „Granitz“ entstand in der Slawenzeit und leitet sich ab vom Wort „granica“. Das bedeutet „Grenze“. Damals grenzte die Granitz die Pfarrbezirke Mönchgut und Streu voneinander ab, heute sind es die Badeorte Sellin und Binz.
Von Binz aus startet man auf der Seepromenade, die einen nach rechts in den Buchenwald hinein führt. An diesem Punkt gibt es einige Schilder, auf denen man sich über den Wald und das Biosphärenreservat Südost-Rügen informieren kann. Nun gilt es schon, das erste Hindernis zu überwinden: eine lange steile Treppe muss bezwungen werden. Das ist beschwerlich und wer Herzprobleme hat oder eher nicht so fit ist, sollte sich das Ganze vielleicht noch einmal überlegen. Ein Athlet muss man aber auch nicht sein, mit einer durchschnittlichen Fitness ist das gut zu bewältigen.
Naturschutzgebiet Granitz
Der Weg schlängelt sich auf einem beschilderten Hochuferweg an der Küste entlang, so dass man immer wieder anhalten und den Blick aufs Meer genießen kann. Im Naturschutzgebiet Granitz ist einiges los. Hier brüten Habichte, Sperber, Seeadler und Neuntöter. Reptilien sind ebenso hier zuhause wie Blindschleichen, Ringelnatter, Wald- und Zauneidechsen. Leider bekommen wir auf unserer Wanderung nichts von den Tieren mit. Offenbar meiden sie den Pfad, auf dem nur ab und zu andere Wanderer zu sehen sind. Das erklärte Ziel im Naturschutzgebiet Granitz ist es, eine „möglichst naturnahe Waldentwicklung“ zu gewährleisten, um den „Erholungswert“ zu erhalten. Das sage nicht ich, das sagt das Schild im Wald, vor dem ich mich schlau mache.
Aufatmen im Buchenwald
Auf Flüsse stoßen wir auf der Wanderung nicht. Das liegt daran, dass der Boden zu durchlässig für Wasser ist. Er besteht aus bis zu 70 Meter mächtigen Beckensanden. Darunter liegen Geschiebemergel mit Kalkschollen. Die Luft im Wald ist frisch und klar. Kein Wunder, denn eine einzige ausgewachsene Buche produziert am Tag etwa 7.000 Liter Sauerstoff. Außerdem bindet ein Hektar Buchenwald rund 50 Tonnen Staub im Jahr. Deutschland ist reich an Wald. Gut 30 Prozent des Landes sind von Wald bedeckt.
Allzu sorglos sollte man am Steilufer aber nicht sein, denn an manchen Stellen kann es zu Abbrüchen und Rutschungen kommen. Das Gebiet hier ist – wie sagt man doch so schön – dynamisch. Wir bemerken zum Glück nichts davon, aber ich möchte es doch erwähnt haben. Nach einer interessanten schönen Wanderung kommen wir schließlich in Sellin an, wo uns der phantastische Ausblick auf Deutschlands schönste Seebrücke erwartet: die Selliner Seebrücke. Mehr darüber erfährt Du in diesem Bericht: Seebrücke Sellin.
So, ich hoffe, damit kann die ewige Frage „Meer oder Berge?“ etwas entschärft werden. Auf Rügen jedenfalls lautet die Frage nicht mehr Meer oder Berge, sondern nur noch: Was schauen wir uns zuerst an?
Berge und Meer, die perfekte Kombination und dazu noch ein bisschen Geschichte 😉
Moin Eva,
danke für Deinen Kommentar. Ja, ein bisschen Geschichte kann nichts schaden, wenn sie interessant ist und man sich nicht gerade wie in der Schule Jahreszahlen merken muss 😉
LG,
Philipp
Danke für die Wandertips, die vor allem für Neurügenwanderer hilfreich sind. Gibt es da Fortsetzungen? Zum Beispiel Wandern auf dem Mönchgut, Zickersche Berge etc?
Danke für die Wandertips, die vor allem für Neurügenwanderer hilfreich sind. Gibt es da Fortsetzungen? Zum Beispiel Wandern auf dem Mönchgut, Zickersche Berge etc?
Hallo Hermann,
zu weiteren Wander-Artikeln bin ich leider noch nicht gekommen.
Klar, es gäbe noch viele schöne Wanderwege auf Rügen.
Viele Grüße,
Philipp