Palermo: Der älteste Feigenbaum Europas erzählt

Ciao, bambino. Schön, dass du mal bei mir in Palermo vorbeischaust. Wie? Du hast den ganzen weiten Weg nach Palermo zum Piazza Marina zurückgelegt nur um mich zu treffen? Mich, deinen Lieblings-Feigenbaum? Dio mio, das ist ja unglaublich! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll… Weißt du, mein Gedächtnis war auch schon mal besser. Ich bin jetzt 160 Jahre alt. Moment – oder sind es schon 180 Jahre?

Schwer zu sagen, ich hab‘ irgendwann aufgehört zu zählen. Wir Feigenbäume nehmen’s mit dem Alter nicht so genau. Für mein Alter bin ich aber noch ziemlich gut im Schuss. Ich bin 25 Meter hoch und habe einem Stammumfang von rund 30 Metern. Nicht übel, oder? Vor ein paar Jahren hat das mich mal einer gemessen, das hat so schön in den Ästen gekitzelt.

Also, wo fange ich an? Am besten am Anfang, oder? Das erste große Ereignis, an was ich mich erinnern kann, war der Einzug Giuseppe Garibaldis in die Stadt. Das muss um 1860 gewesen sein. Damals war Italien noch keine Einheit, sondern zerfiel in mehrere Reiche, zum Beispiel das Königreich Neapel. Ein Jahr später wurde Palermo Teil des vereinigten Königreichs Italien.

Garibaldi spielte eine wichtige Rolle bei dieser Einigung. Er ist ein Nationalheld. Sogar mein Park wurde nach ihm benannt. Kurioser Weise wissen die Einheimischen das aber gar nicht. Wenn man sie nach dem Giardino Garibaldi Park fragt, zucken sie nur ahnunglos mit den Schultern. Piazza Marina verstehen sie aber.

Nur ungern erinnere ich mich an die Zeit, die ihr Menschen Zweiten Weltkrieg nennt. Das Stadtzentrum wurde schwer beschädigt. Porca miseria, bei meinen Feigenbaum-Ahnen! Junge, was hab‘ ich mich bei den Bombenangriffen in der Erde festgekrallt. Es war schrecklich. Nach dem Krieg zogen viele Menschen an den Stadtrand, wo billig gebaute Sozialsiedlungen hochgezogen wurden. Es fehlten Mittel, das Stadtzentrum wieder aufzubauen und so verfiel es nach und nach immer mehr.

Doch damit nicht genug. Nach dem Krieg pfiffen mir schon wieder Kugeln um die Blätter: Mafiabanden lieferten sich brutale Gefechte um die Vorherrschaft in der Stadt. Ich erinnere mich, dass um 1980 jeden dritten Tag ein Mafiamord verübt wurde. Mutige Männer stemmten sich dagegen. Du hast vielleicht von den zwei Staatsanwälten gehört, die gegen die Mafia kämpften und 1992 in der Nähe Palermos ermordet wurden: Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. 15 Jahre lang gab es Rache für diese Rache. Vendetta! Der Anti-Mafia-Bürgermeister Leoluca Orlando lenkte die Geschicke der Stadt und konnte mit Hilfe der Bevölkerung den Einfluss der Mafia zurückdrängen.

Plauderstunde mit dem ältesten Feigenbaum Europas in Palermo.

Heute liegt Palermo in den italienischen Verbrechensstatistiken nicht einmal mehr unter den 15 kriminellsten Städten des Landes. Die Altstadt wurde aufgebaut, die Stadt begann wieder attraktiv zu werden. Zum Beispiel durch das Teatro Massimo, eines der bedeutendsten Opernhäuser Europas. Heute ist zum Glück wieder das normale Leben in die Stadt eingekehrt.

So kann ich wieder ganz beruhigt und entspannt in meinem Park stehen und den Vögeln lauschen. Oh ja, das ist schön. Allora, jetzt hab‘ ich aber so viel geredet wie lange nicht mehr. Ich halte nun ein kleines Schläfchen. Also, danke für deinen Besuch. Mach’s gut, bambino. Schau gern mal wieder vorbei.

Mehr über Feigenbäume erfährst Du bei Wikipedia.

Hier geht die Italienreise weiter.

9 Kommentare

  1. Witzig den Baum erzählen zu lassen.. von ihm habe ich schon gehört, aber noch nicht gesehen. Danke für die tollen Photos. Mach weiter so. Dein Blog ist echt spitze!

  2. So süss erzählt…👍👍👍
    Gerade heute haben wir „Opa Feigenbaum“ besucht und waren echt fasziniert von seiner Grösse….
    Lg aus Palermo

  3. Ich habe heute den Feigenbaum besucht, er ist mächtig und gleichzeitig friedlich …. EIN KRAFTPLATZ… wird mich immer an Palermo erinnern!!!!!!

  4. Super süßer Text.
    Waren letzte Woche an der Piazza zum Trödel und entdeckten den Park ganz zufällig. Wünscherschöner Baum, verrückte Natur. <3

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